„Aus Fehlern lernt man!“, „Fehler gehören zum Leben dazu!“, „Nobody is perfect!“, „Irren ist menschlich!“ – wir alle kennen diese Weisheiten. Es hat sich herumgesprochen, dass eine positive Fehlerkultur für den Erfolg eines Unternehmens wichtig ist. Doch die Praxis sieht meist anders aus. Kein Wunder: von Kindesbeinen an werden Fehler bestraft. Durch schlechte Noten, elterlichen Tadel, Anpfiff vom Chef… Und damit haben wir uns arrangiert: Fehlervermeidung und Fehlerleugnung lenkt nur allzu oft – bewusst wie unbewusst – unser Denken und Handeln. Passiert der Fehler dann doch, schüttet unser Gehirn Stresshormone aus und aktiviert das Areal, das für „Bestrafung“ steht. Stress und Schamgefühl führen zu einer erhöhten Fehleranfälligkeit. Eine Abwärtsspirale entsteht, die Luftfahrt-Psychologen als „Poor Judgement Chain“ bezeichnen; einem Teufelskreis, der Ursache vieler Flugzeugabstürze ist. Wie aber wird in einem Beruf mit Fehlern umgegangen, in dem eigentlich keine Fehler passieren dürfen?
Jeder Fehler erhöht die Flugsicherheit.
Die Luftfahrt kann es sich schlicht nicht leisten, einen Fehler zweimal zu machen. Deshalb befasst sich keine andere Branche so intensiv mit der Ursachenforschung von Fehlern wie die Luftfahrt. Seit Jahrzehnten wird jedes Flugzeugunglück akribisch analysiert. Nicht um den Schuldigen zu finden, sondern um zu verstehen, warum sich die Piloten so verhalten haben. Bis heute liefern Fehlerauswertungen wertvolle Hinweise, wo eine Schwachstelle im System liegt. Deshalb trägt jeder Fehler dazu bei, Fliegen sicherer zu machen.
Unsere Grundeinstellung zu Fehlern muss sich ändern, bevor wir deren Potential nutzen können. Zwei führende Forscher auf diesem Gebiet bringen es auf den Punkt: „Let’s change the attitude from ‚I mustn’t make errors‘ to ‚let me see what I can learn from this error‘.“
Diese Maßnahmen können auch im Unternehmens-Cockpit zukünftige Crashs verhindern:
- Flight Safety Info: von Fehlern anderer lernen!
Studien zeigen: Aus fremden Fehlern lernen wir mehr als aus unseren eigenen. Ärzte haben „CIRS“ (Critical Incident Reporting System), Piloten die Flight Safety Info: Sie berichten offen von ihren Fehlern, um andere an ihrem Lernprozess teilhaben zu lassen. Jedes Unternehmen sollte so ein Journal haben!
- Captain’s call: Führungskraft als gutes Vorbild!
Ein Chef, der seinen Mitarbeitern offen von Misserfolgen erzählt, wirkt nicht nur souverän und vertrauenswürdig, sondern steckt damit auch seine Mitarbeiter an. Erfordert Mut, wird Ihr Umfeld aber verblüffen!
- Multi-Crew Concept: vier Augen sehen mehr!
Im Cockpit sind Einzelkämpfer undenkbar. Bitten Sie aktiv um Rat! Fordern Sie Feedback ein! Das ist die Stärke eines Teams, die Sie nutzen sollten!
- Fail Award!
Erfolglose Start-up Gründer berichten von ihrem Scheitern, innovative Firmen verleihen gar einen Preis für lehrreiche Fehler. Studien zeigen: Mitarbeitermotivation, -zufriedenheit und Firmenerfolg steigen mit einer positiven Fehlerkultur. Treffen Sie sich doch regelmäßig mit Ihrer Abteilung und plaudern Sie frei und ungeniert über Ihre Patzer.
- Lesson learnt: „Lern-Logbuch“ anlegen!
Statt sich zu ärgern, fragen Sie sich: Was kann ich aus diesem Fehler lernen? Legen Sie sich dafür ein „Lern-Logbuch“ an und notieren Sie jeweils die Lehre aus jedem Fehler. Blättern Sie von Zeit zu Zeit darin. So machen Sie jeden Fehler nur einmal!
- No Blame Culture: Trainieren statt Sanktionieren!
Selbst bei schwerwiegenden Fehlern erhält ein Pilot Training statt Bestrafung. Niemand macht absichtlich Fehler. Deshalb sollte der Chef lieber zuhören statt zu tadeln!
„Ein Experte ist ein Mensch, der auf einem eng begrenzten Feld alle nur denkbaren Fehler gemacht hat.“ – Niels Bohr, dän. Physiker und Nobelpreisträger
Über den Autor:
Der international gefragte Top-Redner und erfahrene Berufspilot überträgt das „Crew Resource Management“ aus dem Cockpit auf den Alltag von Führungskräften und Mitarbeitern. Er zeigt, wie diese hocheffektiven NASA-Strategien ihm 2009 das Leben gerettet haben und auch im Business sicher ans Ziel führen. Er ist Autor des Sachbuchs „Ready for Take Off“.
Zum Rednerprofil von Philip Keil