Seit Jahren zeichnete sich ab: Bei Air Berlin sitzen die Bruchpiloten im Management. Lange Zeit galt Air Berlin als aufsteigender Stern am Airline Himmel über Deutschland. Mit starkem Wachstum, konkurrenzlos günstigen Tickets und Mallorca-Drehkreuz bewies der damalige Chef Joachim Hunold ein gutes Gespür, für das er zu Recht gefeiert wurde. Die Ironie des Schicksals: Dieser Höhenflug war der Startschuss für einen Absturz in fünf Akten.
Crash-Ursache Erfolgsblindheit
Denn was als kontrolliertes Wachstum nach einer klaren Strategie begann, entwickelte sich mehr und mehr zu waghalsigen Übernahmen auf Pump von Konkurrenten, deren Streckennetze überhaupt nicht zu Air Berlin passten. DBA, LTU, Niki, Belair…um nur einige zu nennen. Es schien, als hätten die Jahre des Erfolgs den Vorzeigemanager Hunold blind für sämtliche Risiken gemacht. In Pilotenkreisen nennt man dieses Verhalten „Target Fixation“: Jahrelange Erfahrung führt zu einer trügerischen Sorglosigkeit. Trotz schwerer Turbulenzen und Starkregen versucht der Pilot mit Gewalt, die Maschine zu landen, weil es die letzten 100 Male doch auch geklappt hat. Ein gefährlicher Tunnelblick, in dem alle Warnhinweise ignoriert werden.
Crash-Ursache Machtdistanz
Nicht zuletzt deshalb sitzen in jedem Cockpit zwei vollwertige Piloten, um blinde Alleingänge dieser Art zu verhindern. Bei Air Berlin fehlte der starke Co-Pilot neben Hunold. Niemand wagte es, ihm ins Steuer zu greifen, als er aus der Hauptstadtairline einen Flickenteppich an defizitären Geschäftsmodellen machte. Machtdistanz verhindert Teamwork! Unglaublich aber wahr: Kapitäne crashen erheblich öfter, weil die Unterstützung und Kontrolle eines zweiten, charakterstarken Piloten oft fehlen.
Crash-Ursache fehlende Prioritätensetzung
Dem Management kam immer mehr der Blick für die Prioritäten abhanden. Man wollte überall ein bisschen mitfliegen, ohne klare Marktpositionierung: Innerdeutscher Business-Shuttle, touristische Langstrecke, europäische Cityverbindungen, Urlaubsziele am Mittelmeer. Gute Piloten und erfolgreiche Manager wissen in jeder Sekunde, auf was es ankommt und fokussieren sich allein darauf. Multitasking stresst und provoziert unnötige Fehler.
Crash-Ursache planloses Krisenmanagement
Im Cockpit und in der Chefetage zeigt sich Führung vor Allem dann, wenn mal nicht alles nach Routine läuft. Im Fall von Air Berlin fehlte auch hier wieder ein klares Konzept und eine ruhige Hand. Ein rigider Sparkurs ist sicher ein richtiger Schritt. Er führt aber ins Leere, wenn nicht die wahren Ursachen identifiziert und behoben werden. Keiner der Nachfolger Hunolds traute sich den radikalen Kurswechsel, obwohl die Zahlen klar zeigten, auf welchen Strecken das Geld verbrannt wird.
Crash-Ursache Kontrollverlust
Auch typisch für Firmenpleiten und Flugzeugabstürze ist der endgültige Kontrollverlust der Lenker. Das Gefühl der Überforderung lähmt sprichwörtlich und man schaut dem Untergang tatenlos zu. In den vergangenen Monaten war Air Berlin ein einziges Chaos, was auch die letzten Gäste vergraulte. Eingespielte Abläufe versagten, weil Kapital, Personal und der Glaube an das eigene Produkt fehlten. Man hatte sich mit dem vermeintlichen Heilsbringer Etihad und der Airline-Allianz „One World“ in Abhängigkeiten begeben, die einen Radikalumbau nun an Interessenskonflikten Dritter scheitern ließ.
Ein starkes Team, ein Bewusstsein für die Eigenverantwortlichkeit und ein transparentes Fehlermanagement sind am Boden wie in der Luft die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Und so kann jeder Einzelne und jedes Unternehmen aus der Pleite Deutschlands zweitgrößter Airline wichtige Erkenntnisse für die eigene Reise ziehen.
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